Filozofická Fakulta

Sprachmanagementprozess

Die Stabilität und Gewissheit bei der Sprachproduktion und -rezeption basiert auf dem Vorhandensein von Normen oder (weniger normativ) Erwartungen.* In der Sprachmanagementtheorie (SMT) wird davon ausgegangen, dass der Sprecher den Sprachgebrauch oft in dem Moment wahrnimmt, in dem dieser von der Norm oder der Erwartung abweicht. Der Sprecher kann dann die Abweichung (oder andere wahrgenommene linguistische Phänomene) positiv, negativ oder neutral bewerten. Der Sprecher kann weiter eine Korrektur auswählen oder planen bzw. im weiten Sinne eine Maßnahme oder Lösungsstrategie ergreifen und diese schließlich implementiert. Diese vier Phasen, also Bemerken > Bewerten > Maßnahme/Korrektur auswählen/planen > Korrektur implementieren, stellen die unterschiedlichen Phasen des Sprachmanagements dar. Kimura (2011, 2013, 2014) schlug vor, dem Modell noch eine weitere Phase hinzuzufügen, nämlich die Phase des Feedbacks oder allgemeiner die Phase nach der Implementierung einer Korrektur/Maßnahme, da Teilnehmer in Sprachmanagement manchmal nach einem Feedback verlangen oder den Erfolg, bzw. die Durchführung einer Korrektur überprüfen wollen.

Da allerdings der Managementprozess durch zyklischen Charakter gekennzeichnet ist, ist die Phase des Feedbacks im Geiste von sog. Ockhams Rasiermesser auch mit dem Apparat der bisherigen vier Phasen auszulegen. Darin entspricht das vorgeschlagene Feedback der Initiierung eines neuen Zyklus, mit dem überprüft wird, ob es im vorhergehenden Zyklus zur beabischtigten Beseitigung der Abweichung von der usprünglichen Erwartung/Norm gekommen ist. 

Es ist bezeichnend, dass nicht alle Phasen durchgeführt werden müssen, d.h. der Prozess kann nach jeder Phase enden: Der Sprecher kann ein bestimmtes Phänomen z.B. lediglich bemerken, es aber nicht bewerten, oder er kann ein Phänomen bewerten, ohne eine Korrektur zu planen, oder er kann eine Korrektur planen, aber von ihrer Implementierung absehen. In Beispiel 1, Teil 3, können wir sehen, dass der Managementprozess nach der Implementierungsphase beendet wurde.

Die vier (fünf) oben angeführten Phasen können auch auf der Ebene des organisierten Managements unterschieden werden. Im Idealfall beruht das Bemerken auf der Forschung oder Expertenberichten, die die Sprachsituationen auf unterschiedlichen Feldern betreffen, was konkret bedeutet, dass das einfache Management eines bestimmten Phänomens (z.B. der Aussprache von Fremdwörtern in Sprache X oder der Kommunikation zwischen einheimischen und ausländischen Beschäftigten in der Firma Y) gründlich untersucht werden sollte. Diese initiale Phase des Bemerkens kann von der Evaluierung unterschiedlicher Aspekte solcher Situationen, der Planung und der Vorbereitung der linguistischen und politischen Maßnahmen und deren Implementierung gefolgt werden. Diese und weitere Phasen des organisierten Managements wurden von Lanstyák (2014) detailliert analysiert.

Für das organisierte Sprachmanagement ist sicherlich von besonderer Bedeutung Sprachprobleme zu identifizieren, d.h. Abweichungen von der Norm oder Erwartung, die individuelle Sprecher in konkreten Interaktionen negativ bewerten und bei denen es nicht möglich ist, dass sie durch Interaktionsroutinen wie Reparatursequenzen entfernt werden, festzustellen. Obwohl die Sprachmanagementtheorie in Übereinstimmung mit der Sprachplanungstheorie ursprünglich als „Linguistik der Sprachprobleme" entwickelt wurde, muss allerdings festgehalten werden, dass sie die Aufmerksamkeit aktuell auf die Abweichungen von der Norm oder von der Erwartung richtet, die positiv bewertet und als „Gratifikationen" benannt werden (Neustupný 2003). Sogar diese bemerkten und positiv bewerteten Abweichungen können zu grundlegenden Impulsen weiterer Phasen des Sprachmanagements werden, zum Beispiel in Bezug auf die Wahl oder das Angebot einer spezifischen Fremdsprache an öffentlichen oder privaten Schulen.

Abbildung: Sprachmanagementprozess

  1. Bemerken (einer Abweichung oder anderer Phänomene)
  2. Bewerten
  3. Maßnahme ergreifen/Korrektur entwerfen
  4. Maßnahme/Korrektur implementieren
  5. Post-Implementierung

 

Prä-Interaktion Management

Das Konzept des Managements, das einer Interaktion vorausgeht (pre-interaction management), erschien im Grunde genauso früh wie der erste Entwurf der Sprachmanagementtheorie und wurde als „Vorkorrektur" bezeichnet (Neustupný 1978: 249). Um dieses Konzept zu definieren, ist es wichtig, die zeitliche Einordnung und den Stellenwert der Abweichung von der Norm oder Erwartung zu bestimmen: Tritt das Management ein, bevor die Äußerung beginnt, in welcher die Abweichung vorkommt? Genauer gesagt, tritt es in der Antizipation einer Abweichung von der Norm/Erwartung oder in der Antizipation eines Sprachproblemsauf? Neustupný (2004: 26) formuliert es wie folgt: „Gemäß dem, wann das Management vollzogen wird, ist es möglich, von einem pre-management zu sprechen (vollzogen, bevor die Abweichung auftritt)…" Nach dieser Logik spricht Neustupný von einem „in-management" und einem „post-management" (ebd.).

Da sich die Sprachmanagementtheorie nicht nur auf die Sprache im engeren Sinne bezieht, wurde das Konzept des „pre-interaction management" und das Analogiekonzept des „post-interaction management" auch auf die Kommunikation oder Interaktion bezogen (Nekvapil & Sherman 2009). Der Vorteil dieser Konzepte ist, dass sie die Dynamiken des Managementprozesses, ihr variierendes Feld und ihre Effekte auf nachfolgende Managementprozesse in weiteren Interaktionen und auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen besser fassen können.

So ist es möglich, das „pre-interaction management" als Sprachmanagementprozess zu definieren, welcher potentielle Probleme in künftigen Interaktionen antizipiert. Dies kann das Nachschlagen von Wörtern oder Phrasen in einem Wörterbuch beinhalten, Besprechungen der Sprachprobleme mit einem Sprachexperten, oder sogar „Vermeidungsstrategien" wie Bevorzugung der schriftlichen vor der mündlichen Kommunikation, Mitnahme eines Übersetzers oder Vermeidung der Interaktion insgesamt.

Das „Pre-interaction management" kann fokussiert, d.h. auf eine konkrete zukünftige Aktion ausgerichtet sein, oder allgemein, also auf eine Menge von ähnlichen Interaktionen.

Analog ist es möglich, das „post-interaction management" als einen Sprachmanagementprozess zu definieren, welcher sich nach der gegebenen Interaktion abspielt. Offensichtlich spielt sich das „post-interaction management" jedoch auch vor den künftigen Interaktionen ab. Dies kann nicht anders sein, aber während das „pre-interaction management" sich auf eine kommende konkrete Interaktion, oder allgemein, auf eine Reihe von kommenden Interaktionen ausrichtet, richtet sich das „post-interaction management" hingegen auf bereits geschehene Interaktionen aus, ohne dass der Sprecher sofort Überlegungen über künftige Interaktionen anstellt.

Der Prozess, wie er in der Sprachmanagementforschung gesehen wird, war das zentrale Thema des vierten internationalen Sprachmanagementsymposiums im September 2015 in Tokyo.

Fortsetzung:


* Obwohl dies den typischen Fall des Bemerkens bedeuten mag, wird in der jüngsten Theorieentwicklung angenommen, dass der Beginn des Managementprozesses nicht zwingend von einer Abweichung von der Norm oder Erwartung ausgelöst werden muss. Mehr zu diesem Thema: siehe Journal of Asian Pacific Communication 22 (2012), Nr. 2.


Literatur

Kimura, G. C. (2013). Prohibiting Sorbian at the workplace: A case study on the cyclical process of language management. Paper presented at the sociolinguistic seminar at Faculty of Arts, Charles University in Prague, May 2013. PDF

Kimura, G. C. (2014). Language management as a cyclical process: A case study on prohibiting Sorbian in the workplace. Slovo a slovesnost, 75 (4), 225–270 (a substantially revised version of Kimura 2013). PDF

Lanstyák, I. (2014). On the process of language problem management. Slovo a slovesnost, 75 (4), 325-351. PDF

Neustupný, J. V. (2003). Japanese students in Prague: Problems of communication and interaction. International Journal of the Sociology of Language, 162, 125–143. PDF

Nekvapil, J. & Sherman, T. (2009). Pre-interaction management in multinational companies in Central Europe. Current Issues in Language Planning, 10, 181–198. PDF

Neustupný, J. V. (2004). A theory of contact situations and the study of academic interaction. Journal of Asian Pacific Communication, 14, 3–31. PDF

Neustupný, J. V. (1978). Post-structural Approaches to Language. Tokyo: University of Tokyo Press. PDF